Pressespiegel
Einige Medienberichte über den Protest und die Folgen. Einen umfangreicheren Pressespiegel aus der Zeit des Gipfels gibt es bei DEM Pressespiegel zum G8 Gipfel 2007 unter Badespasz.
09. Juli 2008
Neues Deutschland: Halbherzig gegen die Hungerkrise
G8-Gipfel ohne Alternativen für die Bauern

Von Jürgen Elsässer
Lippenbekenntnisse gegen Biokraftstoffe, kein Geld für EU-Bauern – keine guten Nachrichten aus Toyako.

Das Positive zuerst: Der steigende Einsatz von Biotreibstoffen ist als wesentliche Ursache für die Weltnahrungskrise ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Auf ihrem Gipfel im japanischen Toyako sicherten die Staats- und Regierungschefs der acht großen Industrienationen (G8) am Dienstag zu, den verstärkten Einsatz von Biotreibstoffen und die landwirtschaftliche Produktion besser in Einklang bringen zu wollen.

Das große Aber: Hilfsorganisationen und Umweltschützer kritisieren die Halbherzigkeit der Beschlüsse. Subventionen, Steueranreize oder Mindestwerte für die Beimischung von Biotreibstoffen müssten sofort gestoppt werden.

Nach einer Studie der Weltbank ist die starke Steigerung der Produktion von Biotreibstoffen in den USA und Europa der »wichtigste« Grund für die massive Preissteigerung für Nahrungsmittel um 140 Prozent seit 2002. Höhere Kosten für Energie und Düngemittel sowie der schwache Dollar hätten die Preise sonst nur um 35 Prozent steigen lassen. Drei Viertel des Preisanstiegs sei auf Biotreibstoffe und die damit verbundenen Konsequenzen wie geleerte Getreidelager und Preisspekulationen zurückzuführen.

Auch der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments rief am Dienstag dazu auf, das bisher von der EU anvisierte Ziel für die Erhöhung der Biosprit-Produktion zu senken. Dessen Anteil am Treibstoffverbrauch solle bis zum Jahr 2020 lediglich fünf Prozent betragen – nicht, wie geplant, zehn Prozent.

Bestenfalls zwiespältig sind auch die Ankündigungen der EU-Kommission zur Agrarförderung. Deren Präsident José Manuel Barroso hatte am Montag am Tagungsort der G8 in Toyako erklärt, eine Milliarde Euro für Landwirte in ärmeren Ländern mobilisieren zu wollen.

Der Pferdefuß: Das Geld soll aus den Reserven genommen werden, mit denen eigentlich die Bauern in der EU gefördert werden sollen. Schon vor zwei Wochen auf dem deutschen Bauerntag hatte eine Vertreterin der EU-Kommission verkündet, Brüssel habe kein Geld zur Einrichtung eines Milchfonds für die bedrohte Branche.

Die Ankündigung Barrosos wurde von Bundeskanzlerin Angela Merkel reserviert aufgenommen und gestern von der Unions-Fraktion im Bundestag scharf kritisiert.

Wie Getreide-Notspeicher gegen Hungerkrisen aufgebaut werden sollen, wie die G8 anvisiert, wenn gleichzeitig die Höfe in der EU kaputtgespart werden, ist tatsächlich fraglich: Ohne deren Produktivität wird man die Nahrungsmittellager nicht füllen können.

Mehr Informationen: http://www.neues-deutschland.de/artikel/131709.halbherzig-gegen-die-hungerkrise.html